Ohne Ziel weiß man nicht wohin, ohne Ziel gibt es keine Richtung. So haben wir es ja gelernt, so steht es auch in jedem Ratgeber. Definiere dein Ziel, definiere Teilschritte, verfolge dein Ziel beharrlich, und behalte es stetig im Auge, dann wird deine Umsetzung gelingen und du wirst erfolgreich sein. Auch beim Coaching sind Zieldefinition und -erreichung die zentralen Aspekte. So hat sich mir das Denken in Zielen eingeprägt. Neulich hatte ich aber eine nette Kollision mit meiner eigenen Zieldefinition.

Nachdem ich im vergangenen Winter eine Golfausrüstung geerbt hatte, stand der Entschluss fest, ich startete mit diesem neuen Sport und machte im Juni die Platzreife. Nun bin ich öfter auf dem Golfplatz und übe. Golf lebt vom Ziel: der kleine Ball muss ins Loch, dabei gilt es die Entfernung von manchmal mehreren hundert Metern mit möglichst wenigen Schlägen zu überwinden. Genau dies versuche ich also. Um meinen Fortschritt zu messen habe ich begonnen, die Schläge zu zählen und in eine sogenannte Scorekarte einzutragen. Das ist nicht immer motivierend, weil es ziemlich schwierig ist, die Bewegung des Schwungs zu koordinieren, die Anzahl der Schläge also nicht unbedingt weniger wird – was sie aber soll. Nun wollte es neulich gar nicht gut klappen, ich hatte einen richtig schlechten Tag. Bei jedem Schlag, mit jeder neuen Bahn wurde meine Stimmung schlechter: schon wieder nicht gelungen! Verflixt!!

Bis ich merkte: Stopp, was mache ich da?! Ich lasse mir die gute Laune am Spiel durch dieses Zählen kaputt machen. Natürlich ist es mein Ziel, möglichst wenige Schläge zu benötigen, aber ich es gibt doch dazwischen noch viel mehr.

Ich hielt inne und schaute mal wieder um mich rum: die Schönheit der Landschaft hatte ich in meiner Zielfixierung ja ganz aus den Augen verloren! Die Apfelbäume, die im Frühjahr noch in voller Blüte standen, trugen nun dicke grüne Früchte, die Blumen überall hatten ihre Farbe gewechselt, sie strahlten in goldenem Orange, die Felder waren beige-verdorrt. Ich hörte nun wieder den Schrei des Bussards, der über die Äcker kreiste und den Eichelhäher rufen. Und viel Stille und Ruhe um mich herum, ich mitten darin. Ich habe dann aufgehört, die Schläge zu zählen. Habe mich mit innerer Ruhe auf jeden einzelnen Schlag konzentriert und – wen wundert’s – auf einmal gelangen sie wieder. Genau diese Fokussierung in großer Ruhe macht Spaß! Ich war wieder im Spiel.

Aber ich habe mein Ziel überprüft: Mein Ball soll ins Loch, das bleibt! Ich möchte besser werden, das bleibt auch. Mein Score, also die Anzahl meiner Schläge, gibt Auskunft über die Qualität meines Spiels: in gewisser Weise ja, aber gleichzeitig auch nein. Weil die Anzahl der Schläge mir keine Auskunft gibt über den Spaß, den ich beim Spiel habe. Aber darum ging es mir doch ursprünglich. Also streiche ich dieses Ziel, ich werde dafür eine neue Formulierung finden müssen. Ich habe mich verleiten lassen und die allgemeine Zielübereinkunft über alles gestellt: Golfen bedeutet, mit möglichst wenigen Schlägen den kleinen Ball ins Loch zu bringen.

Ich überlege, wie mein Ziel stattdessen für mich lauten wird und finde folgendes: Ich spiele ein schönes Spiel und freue mich, über jeden Schlag, der gelingt. Jeder Schlag ist ein neuer Start, ein erster Schlag. Die Natur um mich herum gehört zum Spiel, genauso wie die Ruhe, die ich dabei in mir spüre. In Wettkampf bin ich ausschließlich mit mir selbst, und behalte die Lockerheit, den Spaß darin zu erleben.
Wie klingt das? Mir gefällt’s. Das ist das Ziel, das ich in Zukunft verfolgen werde.