Ein Lieblingsspruch meines Sohnes: „Was mich ärgert, entscheide immer noch ich.“ Oha, wie wahr!
Warum entscheiden wir uns dann so oft für das Ärgern, statt dagegen? Wie kommt es eigentlich zum Ärger?
Eines ist klar: Der Ärger fällt nicht vom Himmel, bemächtigt sich meiner und macht mich zur willenlosen Marionette seiner Kraft. Nein, so passiert das nicht. Um verärgert zu sein, geschieht mehr. Ein kleiner Blick auf den Prozess. Zum einen ist da etwas oder jemand, der ärgert und dann der/die Verärgerte. Was ärgert?
Neulich habe ich mitbekommen, wie zwei Damen verärgert waren, weil in einer Wartehalle statt Nummern, Symbole als Wartezeichen vergeben wurden. Aber: Was ärgert sie? Das ist zwar ein etwas absurdes, aber ein reales Beispiel; ich war dabei. Also: Was ärgert die beiden an den Symbolen? Warum sind sie verärgert? Tun diese Symbole ihnen etwas? Ja, insofern als sie ihre Gewohnheit durchbrechen: es gibt keine ordentliche numerische Reihenfolge, sondern Bildchen, die auf der Tafel angezeigt werden.
Machen die Bilder ärgerlich oder ist es der Verlust der Gewohnheit, der verärgert? Die Bilder machen die Damen offenbar verwirrt, vielleicht weil sie den beiden etwas abverlangen. Die Damen sind jedenfalls verärgert, weil etwas ihren Ärger ausgelöst hat.
Es sind nicht die bösen Symbole, die am Ärger schuld sind, die Bilder sind einfach da, sie können nicht aktiv einen Ärger erzeugen. Das Täter-Opfer-Denken funktioniert also nicht. Vielmehr ist der Ärger in den beiden entstanden: sie ärgern sich. Ein Ärger wird einem nicht gegeben, er entsteht in einem selbst. Und das ist sehr gut, denn damit kann man den Ärger in sich steuern: Der Ärger ist mein Ärger.

Ich kann also fühlen, dass etwas mich ärgert, ich kann überlegen, warum es mich ärgert. Ich kann nachdenken, ob ich es für nötig halte, etwas zu verändern oder mich weiter zu ärgern. Und dann kann ich eine Entscheidung fällen, was ich machen – oder lassen werde.
Wenn die beiden also – um in diesem kleinen Beispiel zu bleiben – einfach gesagt hätten, dass sie die Bilder nicht mögen und sich dann über andere Dinge unterhalten hätten, wäre kein Ärger da gewesen. Aber vielleicht hatten sie ja Lust auf Ärger, um z.B. Dampf abzulassen? Oder um einen Gesprächsstoff zu haben. Wären es nicht die Bildchen gewesen, wäre es vielleicht das Wetter oder die Bahn oder die Politik oder der Kollege oder die Chefin, oder XYZ gewesen? Es gibt sehr viele Gründe, sich zu ärgern.
Aber: es entscheide immer noch ich, was und wann und wie es mich ärgert.
Alle Fotos: ©Maksym Povozniuk – stock.adobe.com


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