Den Ausdruck vom „Richtigen im Falschen“, den ich vergangene Woche benutzt habe, mag ich sehr – und deshalb habe ich diesen als Zitat benutzt. In der systemischen Beratung fällt er immer wieder; in meiner Grundhaltung und Betrachtung ist er ganz zentral. Daher möchte ich in diesem Beitrag auf seine eigentliche Bedeutung eingehen und ihm noch einen Beitrag „widmen“.
Immer wieder kommt es vor, dass eine Kundin, ein Kunde den Willen hat, etwas zu verändern, auch weiß, was und wohin es sich verändern soll… doch an irgendeinem Punkt bleibt die Veränderung „hängen“, es geht nicht weiter. Es geht nicht weiter, bis wir das „Richtige im Falschen“ finden:
Der Kunde, der im Bewerbungsprozess zu vielen ersten Vorstellungsgesprächen eingeladen wird, doch wo es nicht zum nächsten Gespräch kommt. Nach einer Kündigung sitzt die Kränkung so tief, dass er sein Selbstvertrauen verloren hat. Dabei war er erfolgreich, hatte als Direktor an anderer Stelle große Aufgaben gelöst und gute Ergebnisse erzielt. Ein Vorgesetztenwechsel mit daraf folgenden „unterschiedlichen Ansichten“ machte ihn zum „Verlierer“, er musste gehen. Es schien ihm unmöglich zu sein, im Bewerbungsgespräch neutral über den Trennungsgrund zu sprechen, immer wieder geriet er bei unseren Übungsgesprächen in eine Rechtfertigungshaltung. Es war offensichtlich: hieran scheiterte sein Bewerbungsprozess. Das „Richtige“: die Kränkung war so stark, dass er zwar vom Kopf her wusste, dass die Kündigung richtig war und seine Zukunft nicht zerstören würde, sein Unbewusstes aber nicht darüber hinweg kam und so im Gespräch „falsch“ antwortete. Sich diese Verletzung einzugestehen war für den ehrgeizigen und Erfolg gewohnten Herrn schwierig und auch hart, doch als er diese angenommen und für sich bearbeitet hat, klappte es auch gleich beim ersten Mal mit der Einladung zum zweiten Gespräch – und schließlich mit dem Vertragsangebot. Inzwichen ist er beim Unternehmen seiner Wahl Leiter einer größeren Abteilung mit größerem Handlungsspielraum und mehr Verantwortung – exakt, was er wollte.
Die Kundin, die nebenberuflich ihre Selbstständigkeit aufbauen wollte, deren Entwicklung aber durch verschiedene Verzögerungen selbst zu boykottieren schien – bis klar war: Die Selbstständigkeit war vor vielen Jahren der Plan B für den Fall der Kinderlosigkeit gewesen; die Selbstständigkeit nun voran zu treiben hieß, dem Kinderwunsch vollends abzusprechen. Auch nach Jahren erfüllte der unerfüllte Kinderwunsch die Dame mit Traurigkeit, der sie sich so gar nicht mehr bewusst gewesen war. Die Selbstständigkeit nicht zu leben, war emotional das eigentlich Richtige. Das Falsche war, dass sie von sich dachte, die Selbstständigkeit falsch anzugehen und es einfach nicht hinzukriegen; das Richtige: den letzten Keim Hoffnung zu begraben, hatte sie sich nicht getraut und so „hielt“ ihr „Fehlverhalten“ sie vom Voranschreiten und der Endgültigkeit zurück.
Sich die verloren gehende Hoffnung einzugestehen war zwar schmerzhaft, doch schließlich der Schritt in die neue Zukunft – die Befreiuung. Inzwischen ist sie zufriedene und erfolgreiche Steuerberaterin.
Das Richtige im Misslingen, das Richtige im Scheitern zu finden ist unendlich wertvoll, denn in unserem Verhalten steckt viel Logik, mehr als wir selbst oft erkennen. Wenn etwas also paradoxerweise nicht zu funktionieren scheint, dann ist es Zeit, paradox zu werden und das, was nicht glückt, nicht zu verurteilen, sondern als das im Augenblick genau Richtige zu betrachten: als das Richtige im Falschen.
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