„Nein, ich gehe nicht in den Käfig, ich schaue mir die Haifische nicht aus nächster Nähe an, da habe ich Angst. Es reicht mir, wenn ich auf dem Boot bleibe und die Haie von oben sehe“, so argumentierte ich bei der Planung unseres Urlaubs.
Eine Freundin ist derzeit in Südafrika stationiert und so war der Plan, Urlaub und Besuch zu verbinden. Das Angebot der Veranstalter an der Küste anzunehmen, Haie aus nächster Nähe zu betrachten, war ein naheliegendes Abenteuer. Die Wochen bis zum Abflug vergingen – meine Gedanken hingen weiter an der Frage fest, ob ich mich traue oder ob ich meiner Angst Raum gebe.
Warum diese Angst? Ja, Haie sind wie der Wolf von einer irrealen Angst begleitet, die Zahlen sprechen für den Hai. Das Angebot, in einem Käfig aus der Tiefe die Tiere zu betrachten, ist nicht neu und technisch überhaupt kein Wagnis, das Ding ist sicher sicher.
Ja, das Aussehen dieser Tiere ist weder süß noch putzig, sondern wild und geprägt von seinem räuberischen Leben, seine Bewegungen gleichzeitig elegant und kraftvoll, optimal an die rauhen Lebensbedingungen angepasst.
Vielleicht ist meine Angst die Angst vor der Angst? Mich einer vollkommen unbekannten Situation zu stellen und mich mit meinen eigenen Gefühlen und dem Neuen auseinanderzusetzen; ist es das, was mich schreckte? Gleichzeitig war aber auch die Faszination für das wilde Tier und für das Neue da; die Neugier auf die einmalige Gelegenheit; die Aussicht, stolz auf mich zu sein, weil ich mich getraut habe, mich der irrationalen Angst zu stellen; und die Möglichkeit, zu bereuen, es nicht getan zu haben.
Je näher der Urlaub kam, umso größer stiegen meine Neugierde und mein Mut – und die Angst sank. Ich beschloss umgekehrt an die Situation heran zu gehen: ich werde es tun, werde in den Käfig zu den Haien tauchen, lasse mir aber die Möglichkeit offen, mich spontan dagegen zu entscheiden. So gehe ich offen auf die Tage an der Küste Südafrikas zu.
Und siehe da, zusammen mit der Neugierde kam auch Vorfreude auf und der Wunsch, den Hai aus nächster Nähe zu sehen.
Ich hab’s schließlich getan, ich bin in den Käfig gestiegen, die Haie (Bronze Haie und ein weißer Hai) sind in nur 15 cm von mir entfernt vorbeigeschwommen, ich habe ihre Schnauze gesehen, die von Verletzungen gezeichnete Haut an mir vorbeigleiten sehen, die Kraft des Tieres erahnt, indem die Schwanzflosse am Käfig schlug und es heftig rumpelte. Wow, großartig!
Natürlich war das Wasser kalt, natürlich war ich anfangs angespannt, bis eine gewisse Ruhe in mir aufkam, die meine klare Fokussierung auf das Schauen ermöglichte. Als ich dann raus ging war ich stolz und glücklich: über dieses klasse Erlebnis, diese wilden Tiere gesehen zu haben, ihnen so nahe gewesen zu sein! Ja, und auch: meine Grenze überwunden zu haben, mich um eine neue Erfahrung bereichert zu haben. Zum Glück habe ich mich getraut, mich zu trauen.
Wann trauen wir uns, unsere eigenen Grenzen zu verschieben? Wann gehen wir weiter, dem Unbekannten entgegen? Und wann ist das Neue stärker als wir?
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