silentparty_2Eigentlich wollte ich heute über ein Video schreiben, das auf Facebook 64.852.043 Aufrufe hat und seeehr viel Beachtung findet. Da zeigt ein angeblich wissenschaftliches Experiment, dass Menschen geneigt sind, das zu tun, was andere tun – kopflos wie Schafe, weil „most people are sheep„. Und dann habe ich aber etwas weit besseres erlebt: eine Silent Party – das ist ein tolles Ding!

Wir haben uns im Englischen Garten getroffen, Andi hatte ziemlich viele Kopfhörer dabei und eine Anlage. Alle haben die Kopfhörer aufgesetzt und los ging’s: Nach der sehr schön von Monika Klink, der Organisatorin, zusammengestellten Musik haben sich rund 40 Frauen und Männer über die Wiese verstreut und getanzt, nach Lust und Laune, bis die Sonne untergegangen war. Ein tolles Erlebnis, in der Natur, unter freiem Himmel, das Gras duftend und die Kühle des aufkommenden Abends auf der Haut, Freude auf allen Gesichtern, frische Luft in Hülle und Fülle und Platz so viel du willst.

Interessant war für mich zu merken, wie schwer ich mich am Anfang getan habe, so einfach loszulegen, eine kleine Hemmung in Armen, Beinen und vor allem im Kopf. Da habe ich mich erinnert an Momente, vor vielen Jahren, als ich während eines Winters auf der Fahrt zur Arbeit damals, in der Früh auf der Theresienwiese, eine Frau mit Kopfhörern sah, die alleine im Schnee tanzte, versunken, versonnen, jeden Morgen aufs Neue. Wie ich sie damals beneidet habe. Nicht lange gefackelt und schon habe ich mitgemacht – und es war noch besser als ich es gedacht habe. Viel besser, als mit dem eigenen – damals Walkman – auf der Theresienwiese zu tanzen, finde ich. Denn wir haben alle die selbe Musik gehört und wenn man wollte, so hat man zusammen getanzt und wenn nicht, dann alleine vor sich hin. Die Gruppe hat einen getragen und Freude in der Gemeinschaft war in der Luft.silentparty_1

Fiel es mir leichter, weil die Gruppe da war? War ich vielleicht auch ein Schaf, das sich traut, wenn die anderen es tun? Nein, ich hätte mich getraut, aber es hätte nicht so viel Spaß und Freude gemacht. Dieses Erlebnis zu teilen, gehörte dazu. Tanzen ist halt doch mehr als Bewegung + Musik.

Aber was ich zu dem Facebook/Youtube-Beitrag schreiben wollte? Dass es verführerisch ist und zu pauschal, Menschen für ihren Wunsch zu verurteilen, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Dass wir über Nachahmung lernen und dass soziales Lernen äußerst wichtig und wertvoll ist. Und dass der Film vereinfachend ist. Einfach nur Nicht-Mit-Machen hat nichts mit Autonomie und Individualität zu tun, das kann auch schlichtweg Trotz, Verweigerung sein – und damit eine noch größere Fixierung und Bindung an die Ausganssituation bedeuten. Selbstbestimmtheit und Autonomie finden vielmehr im Spannungsfeld zwischen sozialem Lernen und Reflexion statt.

silent-party_3P.S. Andi habe ich nach dem Tanzen kurz gesprochen: Eigentlich ist er ja im Verkauf bei einem Mobilfunkanbieter tätig. Mit der Vermietung von Kopfhörern hat er vor einigen Jahren gestartet und bietet alle möglichen Aktionen „Silent“ an. Die Nachfrage wächst, die Möglichkeiten auch. Obwohl noch manche Menschen skeptisch sind, was das so ist, eine Silent Party oder eine Silent Disco. Halt einfach cool: die Musik so laut hören, wie du es möchtest, ohne dass andere am Wummern oder am Beat leiden müssen – und dies überall und zu jeder Zeit. Ich gehe bald wieder hin.