Als ich am Freitag im kleinen Café um die Ecke mein Mittagessen aß, fiel mein Auge auf eine Zeitung, die da auslag. Hier stand: „Ärger-Atlas. Wo die Münchner Streithansl wohnen“. Und dann steht da etwas von einer Deutschland-Studie: „Hier wohnen die größten Streithansl… mit großer Deutschland-Karte.

Mit Interesse lese ich: „Ein Viertel der Nation liegt mit irgendwem im Clinch… Mehr als jeder vierte Münchner (27,5) streitet sich pro Jahr. … In München liegen die Themen Arbeit, Wohnen und Miete über dem Bundesdurchschnitt. Fast jeder fünfte Münchner (17,5) zofft sich mit Ex-Arbeitgebern um Vergütung, Kündigung oder Zeugnisse (der Bundesschnitt liegt bei 13.1 Prozent). …“ (tz, 22.11.2019, Seite 22)

Initiatoren der Studie sind die Generali Versicherung und der Rechtsschutzversicherer Advocard, die insgesamt 390.000 Rechtsstreitigkeiten ausgewertet haben. Daraus können wir schlussfolgernd, dass noch weit mehr gestritten wird, denn hier sind ja „nur“ die Rechtsstreitigkeiten erfasst worden, nicht aber die weiteren Streitfälle, in die wir uns verwickeln können: Familien- und Paarzwistigkeiten, Nachbarschaftskriege, Kollegenkonflikte, … Da muss man ja befürchten, dass fast jede und jeder mit irgendwem im Streit ist. So viel Streit!

Überall wird gestrittenIn der Zeitung steht weiter „… im Bundesschnitt dauert fast die Hälfte aller Zwistigkeiten (48 Prozent) zwölf Monate und länger.“ Persönlich kenne ich niemanden, den eine juristische Auseinandersetzung nicht intellektuell und emotional beschäftigt, und auch persönliche Konflikte belasten. Das bedeutet, dass ein großer Teil unserer Energie in die Bewältigung von Auseinandersetzungen fließt. Was das mit einem macht, so im Streit zu leben?!

Der Artikel endet mit dem kleinen Absatz zu der Frage: „Wer streitet gerne? Die Männer! Zwei Drittel (66,5 Prozent) aller Streitigkeiten werden von ihnen ausgetragen. Frauen sind da zurückhaltender (33,5 Prozent). In der Mitte des Lebens (zwischen 46 und 55 Jahren) sind die Menschen statistisch gesehen besonder rechthaberisch.“

Überall wird gestritten

Foto: tz, 22.11.19, S. 22

Warum streiten wir, wollen wir Recht behalten oder für unser Recht eintreten? Besonders in der Mitte des Lebens! Meinen wir, die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben, verfügen wir schlichtweg über die Macht (oder die Mittel), streiten zu können – oder befürchten wir in der Mitte des Lebens vielleicht besonders, uns mit dem Gefühl des Unrecht-Habens auseinander setzen zu müssen und „schlagen“ zurück?

Wie steht es eigentlich um die konstruktive Auseinandersetzung? Um den Diskurs, die Toleranz, das Fehler-Eingeständnis? Wo lernen wir eigentlich, konstruktiv mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen? Da lobe ich mir doch den Kommentar am Ende des Fußballspiels: „Die anderen waren heute einfach besser als wir.“ Das ist mal ein Statement, da sollten wir doch davon lernen. „Du hast Recht, ich habe mich in dem Punkt geirrt.“ – Souverän oder schwach? Ist so ein Satz denkbar?
Werde ich einschlagen… lachen… entgegen kommen, vom Streit ablassen, Respekt gewinnen – oder vielmehr meinen Respekt verlieren… nachhaken, mein Recht bekräftigen, lächerlich machen, auf die zweite Wange schlagen…?