Im letzten Beitrag habe ich über den ersten Teil des Artikels „The Confidence Gap“ von Claire Shipman und Katty Kay geschrieben, der aufzeigt, wie Frauen in vielen Studien dazu neigen, sich zu unterschätzen und sich somit zu selten für weiterführende Positionen bewerben, öfter als nötig an sich selbst zweifeln und sich in vielen Bereichen klein machen. Nun geht es um die Frage: Wie kommt es? Und wie kann das Selbstvertrauen gestärkt werden?
Sind es biologische Faktoren oder vielmehr kulturelle und erworbene? Den neuesten Ergebnissen der Hirnforschung folgend, zeigen die Gehirne von Männern und Frauen keine wesentlichen Unterschiede. Und doch zeigt die Amygdala (Teil des Lymbischen Systems und zuständig für Gefühle und Emotionen) eine größere Aktivität bei Frauen, wenn es um negative Gefühle geht. Die Forschung interpretiert es derart, dass Frauen eher dazu neigen, starke emotionale Bilder von negativen Ereignissen zu bilden. „This difference seems to provide a physical basis for a tendency that’s been observed in bahavioral studies: compared with meh, women are more apt to ruminate over what’s gone wrong in the past.“ Auch ein anderer Teil des Gehirns, das sogenannte ‚worrywart center‘ (das Zentrum des Pessimismus‘), ist bei Frauen größer. Man könnte also durchaus sagen, Frauen sind hervorragend ausgestattet, um aufkommende Bedrohung zu erkennen.
Auch die Hormone beeinflussen Wahrnehmung und Verhalten. Hormonell spricht die Verteilung von Testosteron und von Östrogen dafür, dass Männer eher wettbewerbsorientiert und risikofreudig, Frauen dagegen eher beziehungsorientiert und verbindungssuchend sind.
Gleichzeitig zeigte sich immer wieder, dass die Unteschiede, die zu finden sind, von der Art der Beanspruchung herzustammen scheinen. Wurde Frauen in Studien Testosteron verabreicht, so waren sie wenig kooperativ und machten mehr Fehler. Bei Männern sank der Testosteron-Spiegel, wenn sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbracht hatten.
Es scheinen also schlichtweg unterschiedliche Wege der Herangehensweise zu sein, die Männer und Frauen haben, doch diese müssen nicht zwangsläufig zu einem niedrigerem Selbstvertrauen bei den Frauen führen.
Die Autorinnen wollen also auch fragen, welche Rolle die Erziehung bei der Bildung des Unterschieds vom Selbstvertrauen der Männer zu dem der Frauen hat.
In der Schule erfahren brave Mädchen, was es heißt gut zu sein: nicht energisch, laut, wild oder gar aufdringlich. Und während Mädchen immer braver werden – einfach weil es ihnen u.a. aufgrund des kleinen Entwicklungsvorsprungs gegenüber den Jungen bei der Einschulung leichter fällt, brav zu sein – , bereitet sie die Schule nicht auf das Leben vor. „If life were one long grade school, women would be the undisputed rulers of the world.“ (Carol Dweck: Mindset: The New Psychology of Success“) Alle wollen tendenziell lieber ein Kind, das gut arbeitet und keinen Ärger macht und Mädchen fällt dies leichter. So lernen sie früh, lieber kein Risiko einzugehen und keine Fehler zu machen – nicht zu ihrem Vorteil. Denn, so denken viele Psychologinnen und Psychologen, Risiken auf sich nehmen, scheitern, beharrlich bleiben, das sind wesentliche Voraussetzungen für die Bildung von Selbstvertrauen.
Jungen werden mehr geschimpft und mehr bestraft, erhalten weitaus mehr Kritik für ihr Verhalten und lernen, Fehler in Kauf zu nehmen. Was dann passiert, ist eine unterschiedliche Gestaltung von Verhaltensmustern in Bezug auf Rückmeldungen und Reaktionen. „Boys‘ mistakes are attributed to a lack of effort, while girls come to see mistakes as a reflection of their deeper qualities,“ schreibt Carol Dweck in ihrem Buch. Während es Jungen gelingt, Fehler als einen Mangel an erbrachtem Willen zu sehen, interpretieren Mädchen diese als einen Mangel ihrer inneren Qualitäten. Auch durch den durchaus eher rauen und rüden Umgang der Jungs untereinander, häufige Wettkämpfe und gegenseitige Beschimpfungen, machen sie schließlich unempfindlicher gegenüber Kritik, so dass sie auch später leichter harte Bemerkungen an sich abprallen lassen können. Und allein beim Sport geben die Mädchen schon weitaus früher auf und vermeiden so schwierige Situationen.
So entsteht ein Teufelskreis, indem Mädchen viel zu schnell den Mut verlieren, Selbstvertrauen verlieren, damit eine Situation vermeiden und sich so der besten Möglichkeiten berauben, ihr Selbstvertrauen wieder aufzubauen. Die Mädchen haben in der Zeit von Schule und Uni übersehen, dass es um andere Dinge geht, als perfekte Grammatik und korrekte Antworten. Die Regeln haben sich geändert und sie haben es nicht bemerkt.
Aber – und das sei auch bemerkt – den großen Jungs wird auch später, mehr Frechheit und Selbstüberzeugung zugebilligt, das Verhalten von Frauen wird anders bewertet. Eine Frau, die unaufgefordert in das Büro ihres Vorgesetzten tritt, ihre Meinung äußert, in Besprechungen als erste redet, Ratschläge und Empfehlungen an höher Gestellte verteilt, wird – zumindest – nicht geschätzt werden, vielmehr ist es sehr wahrscheinlich, dass sie als „bitch“ (Miststück, Zicke) angesehen wird. Und dabei wird nicht ihre Kompetenz als solche betitelt, sondern sie ganz persönlich.
Und so finden sich Frauen schnell in einer Zwickmühle, während die beiden Journalistinnen gestehen, sehr niedergeschlagen über ihre Ergebnisse zu sein. „Delving into research and interviews, we more than once found ourselves wondering whether the entire female sex was doomed to feel less than self-assured.“ Bis sie erkannten, dass Selbstvertrauen weit mehr ist, als sich gut mit sich selbst zu fühlen.
Selbstvertrauen ist das, was aus Gedanken Taten werden lässt.
Diese Definition stammt von Richard Petty, Psychologieprofessor an der Ohio State University, der seit Jahrzehnten rund um das Phänomen des Selbstvertrauens forscht. Klar, sagt er, braucht man auch Mut, wenn die Tat beängstigend ist, oder einen starken Willen um dran zu bleiben, wenn die Tat schwierig ist. „Ärger (anger), Intelligenz und Kreativität können eine wichtige Rolle dabei spielen. Aber Selbstvertrauen ist entscheidend, denn es wird in mehr Situationen benötigt, als die anderen Eigenschaften. Es ist der Faktor, der entscheidet, ob wir uns in der Lage sehen, etwas zu tun, und dann erst aus dieser Beurteilung heraus, aus dem Gedanken eine Tat werden lässt.
Selbstvertrauen ist also der Glaube an die eigene Fähigkeit, etwas erfolgreich bewältigen zu können, der Glaube, der das Handeln fördert. Und das Handeln unterstützt den Glauben an die eigene Fähigkeit, etwas erfolgreich bewältigen zu können – und so wird Selbstvertrauen größer. Ein neuer Kreis aufeinander folgender Ereignisse und Ergebnisse – dieses Mal stärkend und aufbauend.
Die natürliche Folge eines schwachen Selbstvertrauens ist, nicht zu handeln, Inaktivität. Wenn Frauen nicht handeln, weil sie unsicher sind, halten sie sich zurück. Doch mithilfe einer Studie zeigen sie: auch wenn Frauen erst dazu aufgefordert werden, dann bringen sie die selbe Leistung wie Männer. Es ist also die eigene Entscheidung der Frauen, eine Situation zu meiden, nicht zu handeln, es nicht einmal zu versuchen.
Es mag verrückt klingen, aber: um mehr Selbstvertrauen zu bekommen, müssen Frauen aufhören, so viel nachzudenken, sie müssen vielmehr einfach TUN.
Und in dem Tun werden neue Ergebnisse erzielt werden und Frauen werden sich entsprechend neuer Gedankenmuster und Verhaltensweisen ermutigt sehen, weiter zu machen. Und so werden auch die Gehirne von Frauen dann schließlich mehr Selbstvertrauen zulassen.
„What the neuroscientists call plasticity, we call hope.“ (Claire Shipman und Katty Kay)
Neueste Kommentare