Kreativität wird in vielen Fällen unmöglich gemacht, v.a. im Umfeld der Unternehmen – ein großer Verlust. Der finnische Professor Alf Rehn forscht hierzu; sein Gespräch mit der Zeitschrift Wirtschaft + Weiterbildung las ich, in dem er sich für Reibung unter Teams und Bereichen sowie für Vielfalt ausspricht. Doch Unternehmen fürchten dies und unterbinden damit auch die Kreativität, die Veränderung, Entwicklung und Neuerungen erst ermöglichen würde.

„Jeder Mensch hat ein großes Kreativitätspotenzial. Wir alle tragen viele Ideen in uns, also die Fähigkeit, uns Dinge völlig neu vorzustellen. Aber viele Leute glauben, das Problem sei die Menge an Ideen oder das Fehlen von Ideen. Ich kenne Hunderte von Unternehmen, die sagen, sie haben nicht genug Ideen. Aber das ist völlig falsch. Ich habe noch nie einen Betrieb kennengelernt, dem es an Ideen mangelte, niemals, nirgends – und ich habe schon mit den langweiligsten Unternehmen des Planeten zusammengearbeitet. Der Punkt ist vielmehr: sie sind unglaublich gut darin, Ideen zu zerstören. Sie sind so gut darin, dass sie es nicht einmal merken“, sagt er im Interview.

Und dies passiert andauernd:
„Wir killen unsere Ideen, indem wir so Sachen denken wie: ‚Wie bin ich nur auf diese verräückte, bizarre Idee gekommen. Oh Gott, das kann ich niemandem erzählen, da lachen sich alle tot.‘ Wir tun es, indem wir über eine neue Lösung nachdenken und uns sagen: ‚So könnte ich es machen, aber ich müsste meinen Chef fragen.‘ oder ‚Das ist zu viel Arbeit.‘ Was auch oft vorkommt: Mitarbeiter schlagen ihren Führungskräften etwas vor und die zucken nur mit den Schultern oder gähnen. Dann sagen sich die Leute: ‚Das mache ich nie wieder.'“

Erst mit produktiver Reibung wird Kreativität im Unternehmen möglich. Aber wir sind zu brav geworden, wollen niemanden irritieren oder gar verärgern – kein Sand im Getriebe sein. Aber:
„So bringen wir eine Organisation nicht voran. … Wir brauchen cross-kulturelle Teams mit Mitgliedern verschiedenen Alters. Wenn wir Menschen mit verschiedenen kulturellen Backgrounds sowie verschiedenen Ansichten und Perspektiven zusammenbringen, fordern sie sich gegenseitig heraus. Das ist diese produktive Reibung, von der ich manchmal spreche. Nur mit dieser Art Erschütterung stellen wir sicher, dass wir alle Möglichkeiten ausprobiert haben und uns nicht ständig mit dem bestätigen, was wir schon wissen und wie wir schon immer gearbeitet haben. Nur so entsteht Veränderung.“

Diese Reibung zuzulassen, Kreativität zu evozieren und so Potenzial für Veränderung frei zu setzen bringt nicht nur Unternehmen voran. Kreativität lässt uns in unserem Handlungsrepertoire wachsen udn unbekannte Situationen mithilfe neuer Ansätze leichter lösen.
Doch nehmen wir in Kauf, dass Reibung auch zu Missverständnissen führen kann, und dass das Verlassen bekannter Pfade und eingefahrener Gewohnheiten auch das Betreten von Neuland bedeutet?

Das Interview führte Stefanie Hornung, Pressesprecherin bei Spring Messe Management. Das komplette Interview mit Prof. Alf Rehn lesen Sie in der Ausgabe 10/2014 der Wirtschaft & Weiterbildung. Die Online-Version ist leider nicht mehr im Netz.

 

Fotos:  © Nawez – Adobe Stock