„Intuition ist Vernunft, die es eilig hat“, sagt ein Sprichwort. Welche Prozesse laufen ab, wenn wir unserem Bauchgefühl vertrauen? Intuitiv spürt man sehr schnell, was man tun sollte, kann es aber nicht erklären. Und dennoch leiten viele intuitive Entscheidungen unser berufliches aber auch privates Leben.

Intuition hilft unsVor einiger Zeit schon hörte ich einen anregenden Beitrag zur Intuition. Einige Zitate und Sätze habe ich notiert, Anregungen, sich selbst ein Bild zu machen – und in sich hinein zu horchen…

„Intuition definiere ich als ein geistiges Wissen, das auf ganz natürlich Weise im Menschen da ist und wo der Mensch – wenn er möchte – selbst einen Zugang dazu findet. Es ist kein psychisches Wissen, sondern ein geistiges Wissen. Es ist auf ganz natürliche Weise da. … Intuition vermag einen erweiterten Erkenntnisprozess in einem Menschen. Diese vertieften AHA-Erlebnisse, wo ich  größere Komplexitäten in einem wesentlichen Punkt erfassen kann, worum es wirklich geht. Ich erfasse den Kern in einem Augenblick“, sagt Regina Obermeier-Breitfuß, Psychologin und Forscherin, die mehrere Bücher zum Thema Intuition geschrieben hat.

Warum kann man intuitive Entscheidungen kaum erklären?
„Viele Bereiche unseres Gehirns sind der Sprache nicht mächtig, dennoch findet sich darin sehr viel Information, die dort gespeichert ist.Wenn wir also nur dem Recht geben, was wir sprachlich begründen können, dann würden wir sehr viel verlieren.“ So Prof. Gerd Gigelrentzer, Psychologe und Direktor des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Auch Sprache funtkioniert intuitiv. Ein 4-jähriges Kind folgt mühelos grammatikalischen Regeln, obwohl es die Sprache noch nicht erfasst hat. „Intuition ist Erfahrungswissen, das man aber nicht begründen kann.“ Das heißt, dass man Wissen erlernt hat, man hat gelernt, gute Intuition in einem Bereich aufzubauen.

Wie funktioniert Intuition? Wir lernen über feinsinnige Beobachtung und das Erfassen von Situationen, wodurch wir nicht-sprachliches Wissen aufbauen. Wir können Dinge spüren, aber nicht erklären. Über die Erfahrung bauen wir uns Faustregeln auf, die auf unser gespeichertes Wissen zurückgreift und aus denen wir unsere Schlüsse ziehen.

Heuristik, nennt Prof. Gigelrentzer dieses Phänomen der Faustregel. „Eine Faustregel ist eine einfache Denkstrategie, für effiziente Problemlösungen, die auf die wichtigsten Informationen zurückgreift und so schnelles Handeln ermöglicht.“ Weil wir gelernt haben, auf das Wesentliche zu achten und das Verstehen unbewusst erfolgt.

Dies gilt besonders für die Bereiche Sprache, Wiederekennung, Gedächtnis, Nachahmung, Emotionen und das Verfolgen von Bewegungen wie z.B. beim Fangen.

Auch bei der Problemlösung greifen wir häufig auf unser intuitives Wissen zurück, vertrauen, auf unsere intuitive Entscheidungen. Aber damit liegen wir nicht immer richtig, so Daniel Karneman, Nobelpreisträger, Psychologe und Autor. Wir legen uns nur dies dann so zurecht: „Wir sind selbst dann von ihrer Richtigkeit überzeugt, wenn wir irren“. In seinem Buch „Schnelles denken, langsames Denken“ beschreibt Daniel Karneman wie Bauchentscheidungen zu intuitive Entscheidungen, zu verzerrtem Denken, zu Vorurteilen und vorschnellen Schlüssen führt. Faustregeln vereinfachen und lassen relevante Fakten oft außen vor. Misstraue dem Vertrauten, es kann in die Irre führen! Häufiges Wiederholen führt zu Irrtum, denn wir fallen leicht auf Bekanntes herein. Oder wir fallen auf uns Sympathisches oder Unsympathisches herein und überprüfen die plausiblen Fakten nicht.

Aber: „Intuition orientiert sich nicht an Sympahtie und Antipathie“, so Regina Obermeier-Breitfuß, „Intution und Instikt sind komplett verschieden. Der Instinkt orientiert sich nach dem Lust-Unlust-Prinzip, nach Sympathie und nach Antipathie. …

Intuition orientiert sich nicht danach, sondern ist ein Erkenntnisweg, wo es um das tiefere innere Wissen geht, und nicht nur um Sympathie und Antipathie geht. Die Intuition ist auch frei von jeder soziokulturellen Prägung.“

Es gibt Kulturen, die haben ein tiefes Vertrauen zum inneren Wissen, doch wir vertrauen der Intuition weniger. Wir brauchen aber Intuition, sie schützt uns. Und wir können den Zugang zu unserer inneren Stimme üben. Indem wir mit offenen Fragen an Dinge und Situationen herangehen: Was weiß ich über diesen Sachverhalt? Was weiß ich über meine Verantwortung? Was erlebe ich in dieser Situation …

Intuition ist gefühltes Wissen

 

 

 

 

 

 

„Auch im Berufsleben spielt die Intuition eine wesentlich größere Bedeutung, als wir oft glauben. Die Intuition hat in unserem Kulturkreis nicht die Wertschätzung, die sie verdient, denn Daten, Zahlen, Fakten zählen und nicht die Tatsache, eine Entscheidung ‚aus dem Bauch‘ heraus zu fällen. Bei der Bauchentscheidung muss ich die Verantwortung selbst tragen. Doch wir leben in einer Zeit, in der Verantwortung immer weniger getragen werden möchte,“ Prof. Gerd Gigelrentzer.

Intuition ist nichts Mystisches, kein 6. Sinn, und auch keine Willkür… auch nichts, das nur Frauen haben, aber Frauren sind oft ehrlicher und trauen sich mehr, das zuzugeben. Das Stereotyp speist sich auch aus dem Klischee, Männer seien logisch, Frauen seien gefühlsbetont.

Vernunft und Bauchgefühl erscheinen als Gegensätze, dabei werden alle Entscheidungen im Gehirn getroffen, die einen bewusst, analytisch, die anderen unbewusst. Beide sind wichtig. In unserer Gesellschaft wird die rationale Entwscheidung allerdings höher gewertet.

Albert Einstein hat einmal gesagt: „Der intutitive Geist ist ein Geschenk. Und der rationale Geist ist sein Diener. Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, in der der Diener zum Herrn geworden ist und man das Geschenk vergessen hat.“

Lust bekommen, mehr zu wissen? Hören Sie rein: Intuition.mp3

Aus: Intuition – Gefühltes Wissen aus dem Unbewussten, RadioWissen, BR2 Mittwoch, 31.05.2017
09:05 bis 09:30 Uhr, Autorin: Dorit Kreissl