Diese Tage sind mir Kursunterlagen eines Seminars wieder in die Hände gekommen, das ich vor einigen Jahren besucht hatte: wie wichtig Gefühle sind und welchen erkenntnisstiftenden Wert sie haben.

Das erlebe ich auch tagtäglich in meiner Arbeit: wie oft „funken“ uns Gefühle dazwischen, machen uns das Leben schwer, wie oft ärgern wir uns über diese; denn lieber würden wir ihnen einen nachgeordneten Rang einräumen. Gefühle sind subjektiv, nicht eindeutig erklärbar, unbeständig und wandelbar – und sie entziehen sich weitgehend unserer Kontrolle. Eigentlich stören sie uns doch bei dem was wir tun.

Unsere Wahrnehmung wird von Gefühlen begleitet und geprägt. Diese sind enorm wichtig für unser Verhalten, für unsere persönlichen Bewertungen, unsere Stimmungen, für unsere Motivation und sogar für unseren Charakter. Die Wissenschaft bekennt sich inzwischen dazu, dass Emotionen unser Leben weit mehr beherrschen als man bisher annahm.
Und es zeigt sich auch, dass Gefühle über die Stimmung mit den Motivationen, also unseren unbewussten Antrieben, eng verbund sind. Das heißt dann, dass eine gute Stiummung Aktivität fördert, während z.B. Ärger, schlechtes Gewissen oder depressive Stimmungen diese lähmt.
Und es zeigt sich ebenfalls, dass unsere Bewertung aller unserer Begriffe und jeder unserer Erinnerungen, unser Denken und schließlich auch unser Handeln bestimmt.

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Gefühle und Emotionen können sicherlich als störend empfunden werden, denn sie entziehen sich der Genauigkeit und bleiben immer subjektiv. Sie beeinflussen uns und nicht immer in der Richtung, die wir uns vernünftig denkend, wünschen. Wir verlieren die Kontrolle über unser Handeln, und das ist durchaus verunsichernd – in vielerlei Hinsicht.

Gefühle sind jedoch auch wichtige Anhaltspunkte, wenn wir sie zu decodieren verstehen. Dann geben sie uns Informationen darüber, was uns fehlt, was wir brauchen oder wollen, was für uns wichtig ist, was wir wahr-nehmen.
Selbstkritik, undifferenzierte und schwammige Gefühle, Unklarheit, länger andauernde negative Stimmung und emotionale Überreaktionen sind dabei häufige Indizien dafür, dass eine Situation nicht passt. Wobei dies nicht impliziert, dass wir es wissen, es bereits erkannt haben.

Wie wertvoll kann es da sein, dem auf die Spur zu gehen, um zu entdecken, was der wahre Kern ist, worum es uns wirklich geht – und dann erst zu handeln.

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Die emotionsfokussierte Psychologie unterscheidet zwischen primären, sekundären und instrumentellen Emotionen. Die primären Gefühle sind die eigentlichen Affekte, um die es uns geht. Das sind dann z.B. Gefühle von Angst, Trauer, Schmerz, Kränkung. Diese sind sehr tief und liegen oftmals verborgen. Mit einem sekundären Gefühl reagieren wir auf ein primäres, da dieses von uns leichter darstellbar scheint. So reagieren wir öfter mit Ärger und Wut auf eine Situation, die aber eigentlich eine Kränkung bedeutet oder Angst in uns erzeugt hat.
Instrumentelle Gefühle sind diejenigen, von denen wir ausgehen, unsere Umgebung entsprechend unseres Wunsches bzw. Bedürfnisses beeinflussen zu können, z.B. wenn wir mit Tränen die Angst vor Bestrafung abwenden oder mit Ärger auf eine Situation drohenden Kontrollverlusts reagieren, um (scheinbar) das Ruder in der Hand zu behalten.
Erst im Erkennen unserer wahren Motive – und unsere Gefühle sind Indikatoren für diese – können wir unser Handeln unseren Bedürfnissen und Wünschen entsprechend gestalten.

Veränderung findet statt, indem wir uns dessen bewusst werden, was unsere wahren Ziele und Wünsche sind, und ihnen kongruente Handlungen folgen lassen. Dann erhalten wir langfristig eine Situation, mit der wir stimmig sind, glücklich und zufrieden.

Unsere Gefühle sind und bleiben dabei Ziel und Mittler für Veränderung.

 

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