Die Zeit der guten Wünsche geht vorbei, viele konnten wir ansammeln: Wünsche lieber Menschen nach Gesundheit, Erfolg, Gelassenheit, Zufriedenheit und Glück, Zuversicht, mehr Zeit. Und da sind dann auch noch unsere eigenen – vielleicht heimlich im eigenen Herzen getragenen Wünsche nach einem neuen Job, mehr Gehalt, einer glücklichen Partnerschaft, die Beförderung, Wohlstand, Sicherheit, einem tollen Urlaub, dem Lottogewinn, … vieles wünschen wir, wollen wir, vieles ist möglich. Mehr und mehr und mehr, wünschen ist ja erlaubt.

Ja, wünschen ist erlaubt. Und gute Wünsche allemal. Manchmal beschleicht mich bei all den Wünschen aber auch ein mulmiges Gefühl. Sehen wir neben dem, was noch alles möglich und wünschenswert ist eigentlich auch das, was wir haben? Und andererseits: Es ist doch auch schön, Ziele zu haben, für etwas zu gehen, sich Größeres zu wünschen, Ansprüche zu haben. Warum nicht, das kann uns ja auch motivieren und antreiben.

Meine Kundinnen und Kunden kommen zu mir, weil sie Ziele, Wünsche haben: mehr Zufriedenheit, eine neue Stelle, die Beförderung, ein besser arbeitendes Team, mehr Erfüllung, mehr Zeit für sich und für das, was ihnen auf dem Herzen liegt, Sinn im Beruf finden, bessere Vereinbarkeit, mehr Anerkennung, die eigenen Talente einbringen, persönliches Wachstum erleben, … alles gute Ziele. Sehr gerne arbeite ich mit ihnen daran und zusammen machen wir Lösungen ausfindig und Wege, diese zu realisieren, damit dieser gangbar ist. Aber… von alleine geht sich dieser nicht, die Schritte müssen getan werden!

Immer wieder erlebe ich hier eine Bremse, die vielerlei Formen, Ursachen und Beweggründe haben kann. Einer ist immer wieder der Wunsch, dass sich Veränderung und Besserung schnell und einfach einstellt, am besten im Handumdrehen, Instant-Erfolg sozusagen; der andere Wunsch: ich will mehr und mehr und mehr, loslassen will ich, kann ich aber nichts. Ich will Veränderung + Sicherheit, ich will Sinn + weiterhin guten Verdienst, ich will Beständigkeit + mehr Zufriedenheit, ich will Neues, aber bitte keine Unberechenbarkeit, ich will Glück, aber habe keine Zeit, mich um das zu kümmern, was mich glücklich macht, ich will mehr Zeit für mich, aber ich will auch Erfolg und Anerkennung im Job.

Sind wir noch bereit, Opfer zu bringen? Opfer, indem wir dazu stehen, was uns wichtig ist, indem wir für unser Ziel kämpfen, indem wir unser Ziel mit Konsequenz, Durchhaltevermögen und Disziplin angehen – dafür gehen – auch einen längeren Weg gehen! Die Extra-Meile nicht nur für den Job, sondern auch für uns?
Aber auch Opfer zu bringen, indem wir auf etwas verzichten, weil wir etwas Größeres, Schöneres, Besseres für uns suchen; weil das Neue Raum benötigt in unserem Leben, in unserem Denken, in unserem Geist. Wir können uns nicht immer weiter aufpumpen, auch unser Denken und Handeln muss manchmal – wie ein zu voller Kleiderschrank oder ein vollgestellter Keller – entrümpelt werden. Denkgewohnheiten, Verhaltensweisen, komfortable Einstellungen, Denkgrenzen und liebgewordene Grundhaltungen, die Sicherheit und Struktur geben, können gleichzeitig hinderlich sein.

Bin ich es gewohnt, mich aus Angst vor Kritik, prophylaktisch lieber selber schlecht zu machen, bevor ein Irrtum oder Fehler von jemand anderem bemerkt werden könnte, so kann ich nicht davon ausgehen, dass mein Selbstbewusstsein wachsen wird. Wünsche ich mir aber, mich persönlich weiter zu entwickeln, autonomer zu werden, wünsche ich mir mehr Anerkennung und Erfolg, so werde ich auch aufhören müssen, diese Gewohnheit, die mir aber Sicherheit gibt, fortzuführen; ich werde das Risiko eingehen müssen, dass ich mit der Kritik von außen umgehen lerne. Mein Opfer ist, diese Sicherheit aufzugeben und die Verunsicherung zuzulassen; diese auf mich nehmen, bis ich gelernt habe, Gefühle der möglichen Scham und Ohnmacht zu riskieren, mit der Kritik umgehen zu lernen und erst wieder eine neue Sicherheit aufzubauen. Auf dieser Basis kann ich dann den nächsten Schritt gehen, mich weiter nach außen wagen, wachsen, mich zeigen, mich positionieren, präsent sein, … selbstbewusst werden.

Als Führungskraft trage ich Verantwortung und zu meinen Aufgaben gehört es, Entscheidungen zu fällen. Ist es mir aber gleichzeitig sehr wichtig, Anerkennung zu bekommen, angenommen zu sein, so werde ich mich wahrscheinlich schwer tun, auch einmal entgegen der Interessen meiner Mitarbeitenden zu handeln, auch wenn ich von dieser Notwendigkeit überzeugt bin. Wenn ich an Überzeugungs- und Durchsetzungskraft gewinnen möchte, so werde ich in Zukunft mit weniger Nähe und „Liebe“ meines Teams auskommen lernen müssen. Mein Opfer ist es dann, eigenständig(er) zu werden, die Verunsicherung der Entscheidung alleine zu tragen, mich zwischen den Stühlen, vielleicht sogar manchmal einsam zu fühlen und mit diesen Gefühlen umgehen zu lernen. Es ist aber sehr gut möglich, dass ich im Lauf der Zeit schließlich an Autorität und Autonomie gewinne.

Damit unsere Schränke, die Wohnung, der Keller nicht überquillen, ist es immer wieder notwendig auszumisten – Raum zu schaffen: was ausgedient hat, das kann weg – das muss weg, damit Platz da ist für Neues. Auch mit dem Immateriellen ist es so: wo Veränderung kommen soll, da sollte ich etwas gehen lassen. So entsteht Raum, Raum für Neues, Raum für Veränderung, Raum für die Erfüllung meiner Wünsche.