Der Fachkräftemangel kommt nun immer stärker im Alltag der Unternehmen an. Bereits vor mehr als 15 Jahren war davon die Rede. Damals war ich noch als Personalmanagerin tätig und unser Unternehmen war besonders im Bereich Förderung von Frauen und von Teilzeitkräften engagiert. Natürlich war das auch ein persönliches Anliegen der Geschäftsführerin und von mir, aber es war gleichzeitig auch eine perfekte Möglichkeit, gut ausgebildetete Personalreserven zu rekrutieren. Und das funktionierte sehr gut, wir hatten immer genug Kandidatinnen und Kandidaten, die sich initiativ bei uns bewarben, die teure und langwierige Personalsuche entfiel in den allermeisten Fällen.

In den Fachartikeln lese ich in letzter Zeit vermehrt vom Druck der Unternehmen beim Recruting. Und, dass bei der Einstellung von Menschen mit etwas anderen Berufswegen, von Menschen, die an einem Quereinstieg interessiert sind, von Menschen, die Ü50 sind, die nicht 50 Stunden, aber 30 und etwas mehr arbeiten können, immer noch gezögert wird. Sehr langsam nur verändern sich die Auswahlkriterien in den Unternehmen. Da wundere ich mich schon sehr. Wir hatten damals als kleineres Unternehmen mit dem Angebot von Teilzeit und flexiblen Arbeitszeiten (und bereits der Option des Homeoffices), den Möglichkeiten eines Quereinstiegs und dem Learning on the job von sehr gut ausgebildeten Fachkräften sehr gute Erfahrung gemacht – und darüber zu jeder Zeit genug engagiertes und hochmotiviertes Personal gefunden. Ich wundere mich, dass sich so viele Unternehmen so schwer mit der Veränderung ihres Recruitings tun. Umso mehr, wenn ich dann Geschichten höre, wie diese:

Voreingenommenheit begrenzt

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Teil des Auswahlverfahrens der Agentur war ein Abendessen mit der Geschäftsleitung, erzählte mir ein Kunde kopfschüttelnd. Denn es ging dabei gar nicht darum zu sehen, ob der oder die Kandidatin die Schalentiere oder den Fisch sauber essen, das richtige Glas für das entsprechende Getränk unterscheiden konnte, gute Tischmanieren hatte und nicht mit vollem Mund sprach. Das wichtigste Kriterium dieser Rekrutierungsetappe war: Salzt die Person die Speise vor dem ersten Bissen – oder probiert sie vorher? Na, das ist doch einmal eine ganz neue Idee. Was soll denn das?

Spontan habe ich den Kopf geschüttelt, mein Verständnis für dieses Auswahlverfahren ist eher gering. Doch es beschäftigte mich dann doch noch: Was hat das Salzen mit der Persönlichkeit zu tun?

Als ich dann einige Tage später mit einem Kunden beim Essen war, salzte dieser tatsächlich das Essen, bevor er es probiert hatte. Innerlich musste ich sehr lachen. Jetzt hatte ich verstanden.:Wird ein Mensch, der sich so verhält, eine Situation offen und neugierig angehen – oder davon ausgehen, diese bereits zu kennen und einschätzen zu können? Sprich: Wird er oder sie ihrem Projekt und den Anfragen der Kunden mit Voreingenommenheit begegnen oder die Situation unvoreingenommen betrachten?
Meine Meinung hierzu? Gut gefragt, aber ob dieses Verfahren zum Ergebnis führt? Vielleicht ging der Geschäftsführer einfach sehr gerne essen und hat dabei auch noch gleichzeitig den/die potenzielle*n Mitarbeiter*in kennenlernen wollen. Schon interessant, was einem während des Bewerbungsprozesses begegnen kann. Ob das zu gutem Personal führt? Gerne würde ich mit dem Inhalber der Agentur über seine Erfahrung sprechen. Ich beobachte weiterhin und sammle staunend die Berichte meiner Kundinnen und Kunden.

 

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