Ich muss in mich hinein grinsen: Es ist ja fast so, als hätte Axel Hacke meinen Blogbeitrag „Ärger, Enttäuschung und noch mehr…“ von letzter Woche gelesen und würde mir dazu seine Gedanken schildern.
In der ZEIT dieser Woche (41/2025 vom 24.09.2025) schreibt er unter dem Titel „Wohin mit meinen dunklen Gefühlen?“ einen Beitrag zum Thema Negative Emotionen: „Angst, Wut, Eifersucht. Soll man nicht haben. Will man nicht haben. Hat man aber. Gratulation.“ Es macht Spaß zu lesen, wie er insbesondere die Gefühle Wut, Hass, Angst, Scham und auch der Liebe unter die Lupe nimmt. Buchstäblich. Denn er fordert einen genauen, differenzierten und differenzierenden Blick auf die Gefühle. Und zitiert aus dem Buch „Wie Gefühle entstehen“ von Lisa Feldmann Barett.
Wir machen unsere Gefühle
Die amerikanische Neurowissenschaftlerin Lisa Feldmann Barett hat die Theorie entwickelt, wonach wir unsere Gefühle selber machen, genauer gesagt: unser Gehirn erzeugt diese. Sie sind also nicht angeboren und unwillkürlich, sondern werden durch die dynamische Interaktion mehrerer Gehirnnetzwerke flexibel konstruiert. Sie wies mit Laborexperimenten, Erfahrungsstichproben, ambulanter physiologischer Überwachung, Gehirnscans und interkulturellen Feldstudien nach, wie die menschliche Gehirnarchitektur viele Arten von Emotionen hervorbringt. (Wikipedia, Lisa Feldmann-Barett)
Das ist deswegen so spannend, weil wir damit nicht Opfer unserer Gefühle und Emotionen sind, sondern diese erzeugen und gestalten. Axel Hacke schreibt dazu: „Das Gehirn erzeugt sie erst, weil es sie aufgrund seiner Erfahrungen für nützlich hält. … Wir lernen im Leben, auf dies oder jenes mit Angst oder Wut oder Neid oder Scham zu reagieren, und behalten diese Emotionen als Verhaltenskozepte.“ Das Gehirn als Vorhersage-Organ, macht uns also einen Vorschlag für ein bestimmtes Verhalten. „Wenn man so will, sind wir nicht Handelnde, sondern Zeugen unseres Handelns.“
Da unsere Gefühle auf der Grundlage von Erfahrungen und Lernen von unserem Gehirn erzeugt werden, ist es entscheidend, welche Schlussfolgerungen unser Gehirn, also wir, aus dem Erlebten ziehen. Denn was wir erleben, können wir beeinflussen.
Gefühle beeinflussen, wer wir werden
„Wenn Sie Ihre Erfahrungen heute ändern, ändern Sie gleichzeitig, wer Sie morgen sein werden“, schreibt Lisa Feldmann-Barett (zitiert nach Axel Hacke). Ausschlag gebend ist die genauere Betrachtung des Gefühls, sein besseres Verständnis. Die differenzierte Betrachtung führt zur „Granularität des Gefühls“. Gefühle werden in der Wahrnehmung in kleinste Partikel zergliedert, damit die Emotion erkundet und neu, feiner beschrieben wird. Dafür muss man natürlich sowohl Wahrnehmung als auch sein Vokabular für die Beschreibung der Gefühle erweitern. Aber es lohnt sich, denn so entstehen neue Handlungsmöglichkeiten.
Denn Angst kann auch Nervosität, Aufregung, Zögerlichkeit und anderes sein; Wut kann aufflammender Zorn, lang schwärende Missstimmung, eine Folge von Kränkung und anderes sein. „Jedes dieser Gefühle hat andere Folgen für das Handeln. Man ändert, wenn man sich damit befasst, sozusagen seine zukünftigen Erfahrungen. Man ändert sich selbst, ja, man ändert sein Selbst.“ (Axel Hacke)
Die Granulation der Gefühle mit dem Klärungskreis
Die Botschaft ist natürlich klasse! Was mich aber zusätzlich sehr freut, ist dass das Konzept in meinem Buch „Das Anti-Selbstboykott-Programm“ genau damit arbeitet: Wir selber beeinflussen die Interpretation unserer Wahrnehmung. Damit wir diese konstruktiv nutzen können, müssen wir diese genauer wahrnehmen, erkunden, ohne Bewertung analysieren und erst dann interpretieren. Denn zu oft folgt auf das Fühlen eines Gefühls umgehend die Interpretation – und diese ist geprägt von unseren Vorerfahrungen, aber auch von Glaubenssätzen, Befürchtungen und Ängsten. Mit einer begrenzten Wahrnehmung bleibt aber auch unser Handlungsspielraum begrenzt – wir begrenzen uns selbst. Wir sabotieren und boykottieren damit unsere Möglichkeiten.
Durch die wahrnehmende Erforschung kann ein neuer, differenzierter Blick auf Gefühltes und Erlebtes erfolgen: Grundlage für die neue Bewertung der Situation und mehr Handlungsoptionen. Und dann sind dunkle, negative Gefühle auf einmal gar nicht mehr nur dunkel und abschreckend, sondern voller Informationen – spannend, wertvoll, interessant.
Ich freue mich, wenn mein Buch endlich im Buchhandel erhältlich ist. Bis dahin werde ich hier schon mal hier und da etwas dazu schreiben. Folgen Sie mir – ich freue mich, Ihnen mehr dazu zu erzählen.
Links zum Weiterlesen oder -hören:
DIE ZEIT: Wohin mit meinen dunklen Gefühlen? Von Axel Hacke. Ausgabe 41/2025 vom 24.09.2025.
Axel Hacke: Wie fühlst du dich? Über unser Innenleben in Zeiten wie diesen. Dumont 2025.
Ted-Talk mit Lisa Feldmann Barett: You aren’t at the mercy of your emotions – your brain creates them. TED@IBM, 12/2017.
Ann Krombholz: Das Anti-Selbstboykott-Programm: Synchronisation von emotionaler und rationaler Ebene. Mentale Blockaden erkennen und wirkungsvoll lösen. Mit Praxisbeispielen und Übungen. EHP – Verlag Edition Humanistische Psychologie, 2025. (Erscheinungsdatum wahrscheinlich 11/2025)
Drs. Paul and Eve Ekma, gefördert und unterstützt vom Dalai Lama: Atlas der Emotionen. Hilfe zum Erkennen und Beschreiben von Emotionen.
Und hier habe ich zum Atlas der Emotionen geschrieben: In the Mood for…
Viel Spaß beim Erkunden Ihrer Gefühlswelten und dem Erringen neuer Freiheiten!

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