Seit mehreren Wochen habe ich an meinem Schreibtisch einen Zettel geheftet: „Intolerance of ambiguity is a sign of an authoritarian personality“. Die Schriftstellerin Elif Schafak hat in ihrem Vortrag „The revolutionary power of diverse thought“ diesen Satz von Adorno zitiert, er sprang mich an. Der Umgang mit Ambiguität ist zentral für die Anforderungen, denen wir uns immer wieder – und derzeit ganz stark – ausgesetzt sehen.
Ambiguität bedeutet Mehrdeutigkeit, wir sind unbedingt gefordert, mit Mehrdeutigkeiten umzugehen. Es gibt immer weniger Eindeutigkeiten, unsere Welt ist komplexer, unser Alltag immer weniger eindeutig. Ambiguitätstoleranz ist die Eigenschaft, die wir benötigen, um mit Mehrdeutigkeiten umgehen zu können. Wir wünschen uns ein Netz, das uns Sicherheit und Zusammenhalt gibt. Mehrdeutigkeiten verursachen aber Verunsicherung. Verunsicherung führt zur Sehnsucht nach Eindeutigkeit, nach einer Stimme, die mir die Welt erklärt und der ich folgen kann: einer Autorität. Die Autoritäre Persönlichkeit zeigt Einstellungen und Verhaltensweisen, die ein Potenzial für antidemokratisches und faschistisches Verhalten hat. Klingt das bekannt?
Hier ist ein interessantes Gespräch mit Katharina Nocum, Forscherin über Verschwörungsmythen, Netzaktivistin, ehemalige Politikerin und Bloggerin. Sehr interessant: „Warum glauben in der Corona-Pandemie besonders viele Menschen an falsche Verschwörungserzählungen und verbreiten sie weiter? Wir sprechen mit der Netzaktivistin Katharina Nocun.“
Die „5 Gründe warum Corona Verschwörungstheorien befeuert“ von Katja Belousa:
Das Gefühl der Unsicherheit
Die sozialen Medien als Virenschleudern
Eine komplexe wissenschaftliche Corona-Lage
Corona-Fehleinschätzungen von Politikern
Medienberichte über Verschwörungstheorien
Denken Sie mit, lassen sie sich nicht zusätzlich verunsichern. Vieles ist verunsichernd, das ist oft so. Aber es ist möglich, Stabilität in der Verunsicherung zu finden. Lernen Sie ambiguitätstolerant zu werden.
In meinem Beitrag „Sind Sie ambiguitätstolerant?“ habe ich bereits darüber geschrieben:
„Wie bauen wir aber die Fähigkeit auf, mit inneren Spannungen, mit Ungewissheit und Unsicherheit umzugehen? „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, sagte schon Sokrates 400 Jahre vor unserer Zeitrechnung und forderte die Aufgabe der Gewissheit, die Demut vor dem Nichtwissen. Wir können das Leben nicht vorhersagen und wir müssen Kontrollillusionen aufgeben. Leichter gesagt als getan!
Wenn wir uns aber zunehmend bewusst werden, welchem Irrtum wir hier sehnsüchtig nachlaufen, welcher Beschränkung wir uns unterwerfen und welche Chancen wir vergeben, können wir anfangen, uns Neuem zu öffnen. Handeln und aktiv werden, bevor uns das Leben mit seinen Forderungen in die Knie zwingt und uns z.B. in Form einer Krise die Veränderung abverlangt.
Wir können sehen lernen, in welchen Situationen wir bereits mehr Handlungskompetenz aufgebaut haben, als wir uns selber zugetraut hatten; wir können uns (vielleicht) zunehmend spielerisch selbstgewählten und wachsenden Herausforderungen stellen; wir können uns „andocken“ an die Freude, die wir als Kinder gegenüber Neuem und Unbekannten erlebten und unsere Neugierde und unsere Lust auf (kleine oder größere) Abenteuer wieder ausgraben – und dabei, fast nebenbei, unsere Lebendigkeit wieder spüren, Kreativität wachsen lassen und neuen Spaß erfahren.“
Ein anderer Beitrag zur Ambiguitätstoleranz vom Deutschlandfunk: „Lernen, mit Mehrdeutigkeit zu leben“ von Wolfgang Streitbörger. Lassen Sie nicht andere, Ihre Meinung bilden. Passen Sie auf sich auf!
Beitragsfoto von Eduardo Mallmann auf Unsplash
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