Ein guter Freund erzählte mir von einem älteren Herrn, der ihn in seiner Lebenseinstellung stark beeindruckt hatte. Denn er empfand ihn als zufrieden mit seinem Leben. Und das, obwohl er einige Schicksalsschläge hatte durchleiden müssen. Dieser Herr strahlte innere Ruhe und Gleichmut aus, war voller Offenheit für sein Gegenüber und für Neues. Er war ein angenehmer Gesprächspartner, der humorvoll, empathisch und zugewandt zuhörte. Auf die Frage, was das Rezept für seine Zufriedenheit sei, antwortete er ohne zu überlegen:
- Nimm dich nicht zu ernst.
- Suche die Schuld bei dir.
- Erwarte nicht.
Das hat mir zu denken gegeben: Gute Punkte. Klar formuliert und mitten aus der Lebenspraxis. Aber vor allem hat mich beeindruckt, dass es drei Punkte sind, die sich ein Mensch zur Grundlage seines Denkens und Handelns gegeben hat – und die ihm geholfen haben, seinen Weg zu gehen. Das sind durchaus Punkte, die irritieren können, über die man nachdenken kann. Ich bin zu folgender Interpretation gekommen:
Nimm dich nicht zu ernst.
Die eigenen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse erkennen und nach ihnen suchen ist ja schön und gut, sicherlich. Aber auch andere haben Interessen, Wünsche und Bedürfnisse. Wir sind immer nur ein Teil des Ganzen, ein ganz kleines Rad im Gesamtsystem, in das wir gehören. Unsere Kleinheit zu erkennen und demütig zu bleiben angesichts einer wesentlich größeren Ordnung, das rückt vieles in ein neues Verhältnis – und bringt uns Gelassenheit.
Suche die Schuld bei dir.
Wir sind Teil der erfolgten Kommunikation, Teil der Beziehung, tragen zur Situation bei – ob aktiv oder passiv. Es ist immer leicht, die Schuld anderen zu geben, aber auch verantwortungslos. Nur mit Verantwortungsgefühl für meinen Anteil an der Situation, für die Beziehung, für meine Kommunikation gestalte ich – und verändere, was anders werden soll.
Erwarte nicht.
Erwarten führt zur Passivität, denn ich erwarte, dass mir geschieht. Erwartung verschließt meine Offenheit für die Situation, für mein Gegenüber, für die Komplexität des Gesamten. Ich halte mich in meinem Horizont gefangen, denn meine Erwartung bleibt immer im Rahmen meiner Vorstellung. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird alles anders kommen, als ich es mir vorstelle. Und zwangsläufig werde ich enttäuscht werden.
Das sind doch spannende Aspekte.
Ich würde mir noch einen geben:
- Sei dankbar.
Persönlich würde ich auch die Formulierungen für mich ändern, etwas „aufhübschen“, damit ich keinen Widerstand gegen meine eigenen Maximen entwickle. Eine konstruktive Formulierung setzt sich auch besser in meinem Gehirn nieder und verknüpft sich positiv mit meinen Empfindungen. So wird sich mein Unbewusstes nicht dagegen sträuben, sondern dies als kräftigende Leitlinie wahrnehmen.
Die Punkte könnten dann so klingen:
- Ich bin Teil eines großen Ganzen.
→ Behalte vor Augen, dass du immer eingebunden bist. Du bist Teil einer Gemeinschaft, eines komplexen Systems, das seine eigenen Bedürfnisse und Interessen hat. Manchmal ist das stärkend, manchmal spüre ich die Grenze meiner Unabhängigkeit. - Was ist mein Beitrag an der Situation – sei dieser noch so klein oder groß.
→ Was kannst du und was willst du anders machen? Mache es. - Sicherlich gibt es viel, das ich noch nicht erkannt und vertanden habe.
→ Bleib offen für das, was kommt, auch wenn du die Situation nicht gleich verstehst. - Das Leben verbirgt überall Wunder.
→ Sei dankbar – Erkenne die Schönheit des Augenblicks.
Angenommen ich würde also diese vier Maximen für mich auswählen, dann würden sie mir so ziemlich gut gefallen.
Was könnten Ihre „Leitplanken“ sein, die Ihnen Geleit für Ihre Handlungen und Ihre Entwicklung im Trubel des Alltags und des Miteinanders geben?
Fotos: ©candy1812 – Adobe Stock
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