Davonlaufen, Totstellen oder Angreifen das ist – so lernen wir – gemeinhin unser Verhaltensrepertoire für Situationen, denen wir uns ausgeliefert sehen, die uns fordern, uns Angst machen. Vor einiger Zeit war ich von den VDI nachrichten* (dem Nachrichtenportal für Ingenieure des Verein deutscher Ingenieure e.V.) interviewt worden. Es ging um Befürchtungen, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, den Berufseinstieg nicht zu finden, und um den Umgang mit diesen Verunsicherungen.

„Dass ein Kaninchen beim Anblick einer Schlange regungslos verharrt, scheint eine gute Strategie zu sein. Der Sehsinn der Schlange reagiert auf Bewegungen. Wer sich nicht rührt, könnte mit heiler Haut davonkommen. Die Schockstarre, die manche Ingenieure angesichts der Coronakrise und der davon ausgelösten Umsatzrückgänge für ihr Unternehmen erfasst, wirkt verständlich. …“  Totstellen hilft dem Kaninchen aber nur, solange die Schlange nicht zu nahe kommt, sonst wird es gerochen und kann dann doch kaum mehr schnell genug fliehen. Totstellen und Fliehen sind zwei Verhaltensoptionen für das Kaninchen, Angriff ist seine Sache nicht, notwendige Voraussetzungen, angemessene Werkzeuge für einen Angriff, fehlen ihm dafür (außer für den Angriff gegenüber seinesgleichen).

Wir hingegen können (oder müssen) uns zwischen 3 Optionen entscheiden: regungslos, tatenlos zuschauen, abwarten, was passiert – das Terrain verlassen, also fliehen – oder angreifen: der Situation angemessen begegnen, dem Gegenüber ins Auge sehen, sich seiner Werkzeuge (den Verstand!) anwenden in Aktion treten, sich behaupten.

Wirtschaftliche Talfahrten, drohender oder anstehender Stellenabbau, unbefriedigende Entwicklungschancen, brodelnde Konflikte, fehlende Perspektiven, das können ebenso Situationen sein, die mich über einen Wechsel im Job nachdenken lassen, wie eine erfolgte oder gefühlte Niederlage: die Beförderung des/der Kolleg*in (statt meiner), die ausgebliebene Gehaltserhöhung, die nicht stattgefundene Entfristung.

Auch hier kann (oder vielmehr muss) ich entscheiden, ob ich tatenlos zuschaue und abwarte, was zukünftig mit mir geschieht (mich also totstelle), gehe (also das Terrain verlasse, fliehe) oder in Aktion trete, mich behaupte, mit der Situation umgehe, sehe, ob und wie ich diese verändern kann, wie ich mein Werkzeug (den Verstand!) angemessen einsetze, oder ob ich die Situation annehmen muss, eventuell „verliere“ (also in den Kampf gehe, angreife und natürlich damit auch riskiere, dass ich unterliege).

Wenn ich mit der Situation umgehe, werde ich aktiv und trete aus der Tatenlosigkeit, der Ohnmacht heraus. Damit gestalte ich meine Situation, auch wenn ich diese nicht vollkommen im Griff habe – mit Kompromissen müssen wir ja permanent umgehen. Annehmen, wenn die Dinge sich anders entwickeln, anders laufen, als ich es möchte, ist manchmal schmerzhaft, manchmal enttäuschend und manchmal sogar verletzend – aber gehört zu einem vernünftigen (Erwachsenen-) Verhalten. Dann gilt: die Situation sachlich analysieren, „… Ziele definieren, Strategien entwickeln, dazu passende Maßnahmen überlegen und sich gegebenenfalls Verstärkung holen, um sie zu erreichen.“ Und wenn es nicht so klappt, wie gedacht? Dann die Situation sachlich analysieren, Ziele definieren, … und gegebenenfalls Unterstützung holen. 😉

*VDI nachrichten, Nr. 45 vom 06.11.2020, Seite 18: „Schockstarre ist nicht die passende Lösung“, ein Artikel von Christine Demmer. Den Artikel finden Sie auch hier.