Manches Mal wird es mir doch zu viel, überall in den Berichten Katastrophen und Leid. Aber zwischen allen hab ich doch tatsächlich einen interessanten kleinen Artikel in der Zeitung entdeckt. Da steht: „Das persönliche Verhältnis zu den Vorgesetzten schätzt die Mehrheit (der 8.000 befragten Beschäftigten, A.K.) positiv ein: Mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) geben an, dass sie sich durch den Vorgesetzten in hohem oder sogar sehr hohem Maß wertgeschätzt fühlen. Knapp ein Drittel (32 Prozent) erfährt nach eigenem Empfinden keine oder nur eine geringe Wertschätzung durch den Vorgesetzten.“* Und weiter steht da…
„Die Kollegialität in der Belegschaft wird überwiegend positiv bewertet: 85 Prozent der Befragten geben an, dass sie Hilfe und Unterstützung von Kollegen bekommen, wenn sie das benötigen.“* Tolle Zahlen: ein Hoch den Führungsverantwortlichen – und ein Hoch der Teamfähigkeit!
Das sieht – und hört – man doch ganz selten, dass eine Situation gut ist; dass das Miteinander funktioniert. Dass es nicht funktioniert, das wissen wir zur Genüge. Wo stand erst neulich wieder: 70% machen Dienst nach Vorschrift, 14% der Beschäftigten haben innerlich gekündigt?
Aber was mich noch viel mehr erstaunt – oder eigentlich muss ich tatsächlich sagen: was mich ärgerlich macht: die Fokussierung auf das Negative! Der Artikel, aus dem ich zitiere, ist überschrieben mit „Viele fürchten ihren Chef“. Und dann heißt es am Anfang des Artikels: „Um das Meinungsklima in deutschen Unternehmen steht es laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund nicht zum Besten: Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten schätzen das Betriebsklima in ihrem Unternehmen so ein, dass sich nicht jeder traut, Schwierigkeiten gegenüber Vorgesetzten offen anzusprechen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Gewerkschaftsbundes auf Basis einer repräsentativen Befragung von mehr als 8.000 Beschäftigten in Deutschland.
Dabei zeigt sich auch, dass ältere Beschäftigte häufiger ein angstbesetztes Betriebsklima wahrnehmen als jüngere: Von den Beschäftigten, die 55 Jahre und älter sind, empfinden 52 Prozent Ängstlichkeit in Teilen der Belegschaft, von den Beschäftigten unter 25 Jahren sind es nur 30 Prozent. Zudem hängt das Meinungsklima laut der Untersuchung auch von der Betriebsgröße ab: In Kleinbetrieben mit weniger als 20 Beschäftigten werde das Meinungsklima als offener eingeschätzt als in mittleren und größeren Unternehmen, heißt es in der Untersuchung.“*
Wenn wir dann auch noch bedenken, dass die meisten Artikel nicht zu Ende gelesen, sondern nur angelesen werden, so entsteht hier doch in Kombination mit der Headline ein schräges Bild! Wohl an die 60 Prozent trauen sich, etwas anzusprechen!
Des weiteren: das Ganze ist eine reine Schätzung, die Befragten „schätzen das Betriebsklima … so ein, dass sich nicht jeder traut“. Ich sage Ihnen, dass mit ziemlich großer Sicherheit, auch in einer Schulklasse, im Kindergarten und im Fußballverein sich nicht alle trauen, ein Problem bei der Leitung anzusprechen. Was sagt uns eigentlich diese Aussage?
Und dann geht es weiter mit der Negativität der älteren Belegschaft. Man könnte doch glatt überlegen, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Alter und besorgnisvoller, negativer Weltsicht besteht. Während die über 55 Jährigen ein angstbesetztes Umfeld wahrnehmen, sehen es die Jüngeren nicht so heftig. Wahrscheinlich haben die über 55 Jährigen zu viele negative Zahlen gelesen und bei einer Befragung ahnen sie schon Übles!
Würde der Artikel nicht gelesen, wenn er einen positiv gefärbten Titel hätte? Dieser könnte lauten: ‚Das Arbeitsumfeld in deutschen Unternehmen ist geprägt von Teamgeist und Wertschätzung‘.
Natürlich treibt das Negative an, Verbesserungen anzustreben, das ist ja gut. Aber es ist unverantwortlich, das Gute klein zu reden!
Hier mehrere Links, die zeigen, dass sich im Gegenteil sehr vieles getan hat – aber wir Menschen zum Schlechtreden und Schlechtsehen neigen. Schade, tun Sie’s nicht!
‚Und die Welt wird doch besser‚ von Gudula Hörr und
‚Know the world you live in – Understand how the world is changing through research and interactive data visualizations.‚ von Max Roser u.a.
Und schauen Sie sich unbedingt einen Vortrag von Hans Rosling an, der leider im vergangenen Jahr verstorben ist, ein Mann, dessen Mission es war zu zeigen, dass wir uns irren, wenn wir immer vom Schlechteren ausgehen (siehe sein Ignorance Project). Er präsentiert Zahlen und Grafiken, die belegen, dass sich doch vieles zum Positiven wendet – nur halt von der Öffentlichkeit unbemerkt bleibt. Vielmehr gilt sehr oft, wie hier am Beispiel des Bevölkerungswachstums: Don’t panic!
Oder in einem Ted-Talk:
* FAZ vom Samstag, 26.01.2019 – Wirtschaft
Sie haben den gesamten Artikel gelesen, nur die Reihenfolge von Textanfang und Textende habe ich vertauscht. Hier ist er…
Auch hier noch ein Link zu einem älteren Beitrag von mir, in dem ich die Seite von Max Roser vorgestellt habe: Besser ein zweiter Blick: die Welt wird besser.
„Veränderungen brauchen eben Zeit und der Mensch neigt dazu, negative Ereignisse zu überbewerten, das war schon immer so, sagt Max Roser“
http://ann-krombholz.blogspot.com/2016/01/besser-ein-zweiter-blick-die-welt-wird_17.html