„Ein Lebenslauf sollte auf keinen Fall mehr als zwei Seiten umfassen.“ Mit dieser Vorstellung kommen rund 80% meiner Kundinnen und Kunden in die Beratung. Ob für den Berufseinstieg oder als Führungskraft, mit drei oder 30 Jahren Berufserfahrung, immer wieder begegnet mir dieses Credo. Woher kommt das bloß und warum?

Zwei Seiten soll der perfekte Lebenslauf haben. Macht das überhaupt Sinn?Überall im Netz, in unendlich vielen Karriereberatern und Bewerbungsbüchern ist dieser Satz zu finden: „Der Lebenslauf sollte maximal ein bis zwei Seiten mit den wichtigsten Stationen umfassen“ (Handelsblatt) oder „Auch der Topmanager mit 30 Jahren Berufserfahrung sollte bei seinem Curriculum Vitae nicht über zwei Seiten hinaus schießen“ (Wirtschaftswoche) oder „Der perfekte Lebenslauf sollte klar strukturiert auf maximal ein bis zwei Seiten passen“ (Stepstone) oder „Grundsätzlich gilt: Weniger ist mehr. Der Lebenslauf sollte eine Länge von zwei Seiten auf keinen Fall übersteigen. Für die Bewerbung auf eine Führungsposition hingegen wäre ein einseitiger Lebenslauf im Vergleich gesehen recht kurz“ (Experteer).
Und sollten Sie es bisher nicht gewusst haben, so glauben Sie dies nun auch. 😉

Doch haben Sie schon einmal versucht, Ihre praktische Erfahrung, Ihre berufliche Kompetenz, Ihr individuelles Profil und Ihre Eignung für die ausgeschriebene Stelle auf zwei Seiten unterzubringen? Und dies einschließlich Foto, persönlichen Angaben, Erfolgen, Studium, Praktika, Fort- und Ausbildung, Schule und weiterem Know-how wie Sprachen und IT-Kenntnissen, vielleicht noch ein Ehrenamt und besondere Interessen? Das ganze natürlich lesbar, gut strukturiert und ansprechend formatiert.
Richtig: das ist – vorausgesetzt, Sie benutzen eine Schriftgröße größer als 6pt und lassen auf der Seite noch Ränder links und rechts übrig – nicht zu schaffen! Nicht, wenn der Lebenslauf eine Aussage enthalten soll.

Zwei Seiten soll der perfekte Lebenslauf haben. Stimmt das?Klar, soll der Lebenslauf keine Redundanzen enthalten! Klar, geht es darum, auf den Punkt zu bringen, welchen Mehrwert Sie für die Stelle/das Unternehmen bringen! Klar, hat der/die Lesende keine Zeit und möchte innerhalb weniger Sekunden einen Eindruck über Ihre Eignung gewinnen! (Nur so zur Info: Auf eine Marketing-Stelle bewerben sich im Münchner Raum ca. 200 Personen!) Aber ist deshalb tatsächlich weniger mehr?

Nein, da wo Wettbewerb herrscht, da wo Vielfalt in den Aufgabenbereichen, den Werdegängen, den Job-Titlen und den dahinter stehenden Personen besteht, da kann nicht weniger mehr sein!

  • Fragen Sie sich ruhig, warum Stellenanzeigen bereits eine knappe Seite für die Beschreibung der Tätigkeiten und der gewünschten Anforderungen benötigen – und oft genug wenig Aussagekraft haben!
  • Fragen Sie sich auch, welchen Sinn es machen soll, wenn eine Führungskraft mit 25 oder 30 Jahren Berufserfahrung, all ihre Kompetenz in ein Korsett der Größe XS pressen soll! – Und was bleibt dann eigentlich vom eigentlichen Inhalt übrig?
  • Fragen Sie sich auch, wie es sein kann, dass eine formale Angabe den Inhalt dominiert – bis dahin, dass für Professionals mit ca. 5 Berufsstationen (und das ist in einer von Umstrukturierungen und Veränderungen dominierten Unternehmenswelt schnell erreicht) nur mehr die Nennung des jeweiligen Unternehmens, des Job-Titles und einer knappen, sehr allgemein gehaltenen Tätigkeitsbeschreibung Platz hat.
  • Und fragen Sie sich vor allen Dingen, nach welchen Kriterien  Kandidatinnen und Kandidaten aus einem Berg von ca. 100 und mehr Lebensläufen zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden! (Zur Info: Anschreiben spielen eine immer geringer werdende Rolle, und werden – wie Arbeitszeugnisse – kaum mehr gelesen.)

Hier hat sich ein Mythos etabliert. Einer schreibt von der anderen ab. Die 2-Seiten sind doch unsinnig und kontraproduktiv (geworden)!
Der Lebenslauf ist das Herz-Stück Ihrer Bewerbung und er muss überzeugen! Der Inhalt muss die größte Wichtigkeit haben, damit Sie Raum haben darzutellen, was Sie an Erfahrung mit- und an Leistung in der neuen Position einbringen werden.

In meiner Beratung arbeite ich all dies heraus: Was sind Ihre Stärken? Was ist Ihr USP (Unique Selling Proposition – Ihr herausragendes Leistungsmerkmal), was macht Ihr Know-how besonders? Was macht aus Ihrer Kompetenz und Erfahrung Ihren Mehrwert für das suchende Unternehmen? Und wer sind Sie als zukünftiger Mitarbeiter, als zukünftige Chefin?

Und siehe da: alle meine Kundinnen und Kunden wurden nach nur wenigen Bewerbungen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen!
Inhalt geht doch vor Form. Und: Nicht alles, was sich herumgesprochen hat, gilt (noch).