Traumhaft, die ersten wärmeren Tage! Da bringt einem der Lebensgeist sofort Energie, gute Laune und Frühlingslust. Das ging den Ästchen, die dekorativ Teil eines Blumenstraußes in meiner Vase waren, offenbar auch so: winzige, hell-grüne Blätter sprießen nun aus ihren Knoten. Wie hübsch!

Ihre Stärken schlummern nur und warten auf die richtige EnergieDas finde ich ja faszinierend: waren die Äste zunächst winterlich kahl, so sind sie nach wenigen Tagen im Wasser wieder zu Leben erwacht! Wo kommt dieses Leben her, das scheinbar auf einmal Blätter wieder lebendig macht? Wo war der Saft, der nun kleine Wurzeln am Ende der Äste wachsen lässt? Es sah glatt so aus, als wären sie abgestorben. Das würde einen in der Tat nicht wundern, nachdem sie seit einer guten Weile von ihrem Busch abgetrennt wurden und seither kein „artgerechtes“ Umfeld mehr hatten. Die Lebenskraft der Pflanze ruhte also still, schlief sozusagen, bis sie genug Wasser aufgesogen und wohl auch hinreichend Wärme bekommen hatte. Nun wachsen ihre Blätter, machen sich bereit, größer zu werden, um genug Chlorophyll herzustellen, damit der neue „Mini-Busch“ in meiner Vase gedeiht und groß wird.

Ein toller Prozess und ich freue mich über den Moment des „Aufwachens“ und des sichtbaren Wachstumsprozesses – auch wenn er selbstverständlich scheint, natürlich halt. Aber ist das nicht toll, wie die Kraft gespeichert ist, bis sie förderliche Umstände vorfindet. Und dann wird gepowert, jawohl!

Da muss ich an eine Verwandlung von vor wenigen Tagen denken: Die 40-jährige Führungskraft saß nachdenklich in sich gekehrt mir gegenüber, sie vermisste ihre Energie, ihren Elan und ihr Selbstbewusstsein – schlechte Voraussetzungen für den Bewerbungsprozess, in den sie sich begeben wollte. Im Lauf der letzten vier Jahre, in denen sie aufgrund ihrer beiden Kinder nun in Teilzeit gearbeitet hat, fühlte sie sich vollkommen ausgebremst, sie gewann den Eindruck, dass ihre aktuellen Aufgaben unbedeutend waren, wertlos; ihr Gefühl von Kompetenz und Überzeugungskraft hatte – nicht nur für sie – sichtbar gelitten. In der Tat, keine gute Voraussetzung für den Bewerbungsprozess, bei dem sie ja sich und ihre Erfahrung in ein gutes Licht bringen sollte.

Wir lenkten ihren Blick auf vergangene Momente, auf diverse Herausforderungen, vor denen sie gestanden, auf Aufgaben, die sie gemeistert hatte und auf größere und kleinere Erfolge, die sie nach und nach nun wieder erkannte. Und siehe da, da kam wieder Leben in dieses Persönchen, sie sprach immer schneller und mehr und mehr Ereignisse fielen ihr wieder ein, ihr Gesicht bekam Farbe und ihre Augen leuchteten sogar.
Ich konnte sehen, wie Kraft und Lebendigkeit zurück kamen; wie die Erinnerung ihr Selbstbewusstsein wachsen ließ, bis sie am Ende der Sitzung gerade wie ein Baum vor mir saß und fröhlich sagte:

„Ich hab ja schon ganz schön viel gemacht und geschafft! Eigentlich kann ich doch stolz sein, auf das, was ich erreicht habe. Jetzt fühle ich mich imstande, meinen Lebenslauf zu schreiben und damit nach außen zu treten. Ich kann jetzt endlich los legen, jetzt wird wieder gepowert. Ich war ja wie in einem Winterschlaf und fühle mich gerade, wie wenn ich nun aufgewacht wäre.“
Stimmt, ihre Lebensgeister – und damit auch ihr Selbstbewusstsein – waren in der Unterforderung  eingeschlafen. Wie schön, da ist wieder Kraft und Lebendigkeit!