Das erste Tor fällt bereits nach 120 Sekunden Spielzeit, die Mannschaft verliert mit 0:66. Aufgeben? Schimpfen, klagen, beschuldigen? Die Kicker werden gefragt, ob sie aufgeben wollen… und machen weiter bis zur 90. Minute. Was ist das?

Die Freizeit-Kicker des Hamburg-Harburger Dorfclubs Moorburg TSV haben beim Kreisklasse-Duell der 9. Liga verloren. Haushoch verloren! Alle 82 Sekunden fiel im Durschnitt ein Tor. Ohne Gegentor. Aufgeben und sich Wegducken war keine Alternative.
„Alles in allem hat es uns auch Spaß gemacht, zumal ja auch kein Druck da war. Einfach auch mal versuchen, was geht. Hacke, Spitze, 1-2-3“,
sagt der Trainer, der selber auf dem Spielfeld stand, dem Interviewer von kicker.de . Was ist denn das? Haushoch verlieren und noch von Spaß reden?
Der Mannschafts-Trainer und Fußball-Abteilungsleiter des Vereins, Patrick Stritzki, geht in diesem Interview sogar noch weiter:
„Wir wollen einfach kicken. … Am Ende geht es doch nur darum, mit seiner Mannschaft zu kicken und Spaß zu haben. Hier und da vielleicht Punkte einzufahren oder an Erfahrung zu gewinnen, wie man hier und da was besser machen könnte. Einfach das Miteinander leben!“
Nach dem ersten Staunen, über das, was ich da gerade gelesen und gehört hatte, geht mir ein Licht auf: das ist gelebtes Reframing. Das perfekte Beispiel!
Letzte Woche schrieb ich im Beitrag Neue Blickwinkel finden mit Reframing über die Möglichkeit, eine Situation durch die Veränderung der Perspektive, anders zu betrachten – und so zu einer Neu-Interpretation zu kommen. Und genau das passiert hier: Der Freizeit-Mannschaft geht es um Spaß, weniger um die Tabellenführung! Und damit entsteht ein komplett anderes Bild.
„Genau in solchen Momenten zeigt sich, wer man wirklich ist. Und unser Team hat heute bewiesen, dass es nicht das Ergebnis ist, das uns definiert – sondern die Art, wie wir miteinander umgehen, wie wir kämpfen und wie wir als Verein zusammenstehen.“
Denn, so hat es der Moorburger TSV auf seinem Instagram Account geschrieben:
„Jede Mannschaft hat ihre Höhen und Tiefen, jede Saison ihre schweren Tage. Aber genau in solchen Momenten zeigt sich, wer man wirklich ist.“
Hier steht es: Genau in solchen Momenten zeigt sich, wer man wirklich ist. Das ist der veränderte Fokus: Der Trainer ist nicht niedergeschlagen und am Boden zerstört, dass seine Mannschaft (wieder mal) verloren hat und weiter am Tabellenende kriechen wird, sondern, dass es wichtig ist, wie „wir miteinander umgehen, wie wir kämpfen und … als Verein zusammenstehen.“
Nur „soziale soft Sache“ 😉 und gar keinen sportlichen Ehrgeiz kann man dem Mannschafts-Trainer aber nicht absprechen. Er sagt auch:
„Unser Ziel ist es, mal einen oder drei Punkte mitzunehmen, der Rest ist völlig wurscht. Sprich, wen juckt es, wenn ich vielleicht ein Spiel 0:100 verliere, wenn ich den Rest gewinne? Oder wir verlieren alle Spiele und fegen den Tabellenersten im letzten Spiel vom Platz, das ist doch auch eine geile Sache. Das Torverhältnis ist uns völlig egal, Erster oder Zweiter werden wir wohl nicht mehr.“

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