„Also, so was! Dass so ‚was möglich ist!“, ich schüttele den Kopf und mache die Türe selber auf. Vor mir, maximal zwei Meter vor mir, ist ein Mann die Treppe zur Tiefgarage hinunter und lässt die schwere Feuerschutztüre vor meiner Nase zufallen. Bemerkenswert.

Es ist eine kleine Tiefgarage des Wohnhauses bei mir um die Ecke, ca. 20 Autos sind hier untergebracht. Man kennt sich natürlich nicht, klar. Doch, ist das wichtig? Eigentlich bin ich entsetzt. Nicht, weil er mir als Frau die Türe nicht offen hält, nein, das ist es nicht. Weil er isoliert seinen Stiefel durchzieht und einem Menschen, den er vorher auf dem Weg die Treppe hinab, gesehen hat, keinerlei Beachtung schenkt, der Kontakt von Mensch zu Mensch keine Bedeutung hat! Unwillkürlich denke ich an Knigge & Co.

In allen Zeitungen und Zeitschriften, in newslettern und bei Fortbildungsinstituten wird regelmäßig das Hohelied der Benimm-Regeln angestimmt. Und offensichtlich ist etwas dran, vielleicht korreliert deren häufig werdende Erwähnung mit dem geringer ausgeprägten Bewusstsein für und dem abnehmenden Umgang mit Höflichkeit. Dabei geht es hier doch nur darum, anderen Menschen mit Achtung und Respekt gegenüberzutreten.

Naja, vielleicht hatte der Herr ja einen schlechten Tag, vielleicht muss er nachher noch zu einem unliebsamen Kuchen-Essen-Termin und hat seinen Ärger gerade heruntergeschluckt, weil er seinen angenehmen Nachmittag unterbrechen muss, oder er muss am Montag Kündigungen aussprechen und weiß noch nicht, wie es danach weiter geht, oder seine Frau ist krank und er macht sich Sorgen oder er hat gerade einen finanziellen Engpass oder … Oder er war einfach Gedanken verloren.